Dampflok Siebenbürgen Fotos, Zeichnungen und Erlebnisberichte vom Künstler Arnold Müll
Dampflok SiebenbürgenFotos, Zeichnungen und Erlebnisberichte vom Künstler Arnold Müll

Mit dem Balt Orient Express von Budapest
nach Kronstadt  (Sommer 1964)

Wieder einmal waren wir, meine Frau und ich, nach dem Land der "142-er", dem im Südosten Europas gelegenen Rumänien unterwegs und wie es sich für einen Dampflokfreund geziemt, wie kann das auch anders sein- natürlich mit der Eisenbahn. Von Wien West über Budapest Keletipu, wo wir umsteigen mussten, kamen wir mit dem Taxi und großem Gepäck hier im Budapester Nyugati Pu an. Wir hatten die nördliche Strecke über Oradea (Großwardein) mit den Grenzstationen Biharkeresztes und Episcopia Bihor, statt der südlichen über Arad mit den Grenzorten Lököshaza und Curtici, zur Einfahrt in´s rumänische Landesinnere. Bis unser aus Prag kommender Schnellzug, dem Balt Orient, mit seinem Kursverlauf: Stockholm- Sassnitz Hafen (Insel Rügen)- Berlin Ost- Prag Stred- Budapest Nyugate Pu- Oradea- Brasov- Bukarest Nord, der gegen 19 hier einlaufen sollte, hatten wir noch 2 h Zeit, eine angemessene Frist, um das mich interessierende  Bahnhofsgetreibe gebührend in´s Auge zu fassen. Mit "leeren" Händen, also ohne Fotoapparat, (das Fotografieren war in diesen Jahren an solchen Orten streng verboten) streifte ich von einem zum andern Bahnsteig und gelangte so zu jenen ungarischen Dampflokomotiven, die sich schon von weitem mit ihren charakteristischen Abdampfstrahlen an den Schornsteinen bemerkbar machten. Mehrere Züge waren bereitgestellt, an deren Kopfenden rassighochgebaute Dampflokomotiven standen, die den Ankömmling mit einem waren Kreuzfeuer dieser knallenden Dampfpfeile begrüßten. Für Dampffreunde ein herzerwärmender Empfang. Welch ein freudiges Gefühl überkam doch beim Anblick dieser stolzen, schwarzfunkelnden und so schien es wirklich, festlich- ernst dreinschauenden Maschinen.

In aller Ruhe beschäftigten sich  Heizer und auch Lokführer mit Ölen, Wischen, und Polieren mit ihren wahrhaft königlichen Lieblingen. Das innige Verhälltnis zwischen Mensch und Maschine wurde deutlich sichtbar. Es drängte sich die liebevolle Beziehung zwischen Roß und Reiter unwillkürlich auf und es ist nicht abwegig, wenn man hier von einem langdaurnden "Lebensverbund" sprechen darf. In der Tat, das gab es, hat es wirklich gegeben und wie man feststellen kann, ist es noch gar nicht lange her- doch solche Szenen und Bilder wird man wohl nicht mehr zu sehen bekommen. Ja, und damals stellte sich auch keiner hin und frug ob solcherart Tätigkeit sinnvoll sei, ja womöglich eine teuere Zeitverschwendung darstellte. Auch fand sich noch niemand, der breitspurig mit akademischem Hochmut die Wirtschaftlichkeit der Dampflokomotive und ihre  "fehlgeleitete"  Konzeption ganz ohne  "Wenn und Aber"  einfach so auf dem Bahnsteig in Frage zu stellen, wohl wissend, daß gerade diese Maschine es war, die einen niegeahnten Aufschwung jener Pionier- und Gründerjahre in Technik, Industrie und Wirtschaft, ermöglichte. Kehren wir nochmal zu unserm anonymen jungen Skeptiker zurück, um deutlich zu machen, wie sich der Fortschrittsgeist auch hier bereits massiv, zwischen die Generationen stellte. Würde nun einer von jenen wirklich ein solches Ansinnen an die Ritter ihrer blitzblanken Stahlrößer gerichtet haben -nun, ich schätze diese Fragen hätten ihm schlecht bekommen. Entsprechend der ungarischen Mentalität in der neben hervorragenden und bemerkenswerten Eigenschaften der Stolz und das Temprament eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, würde sich dann nach meinen diesbezüglichen Kenntnissen, folgender einseitiger und sehr spannungsgeladener Dialog entwickeln: "Hören sie mein Herr"- was soll eigendlich diese ganze Fragerei? Und über welche Dinge möchten sie denn wirklich Auskunft haben? Oder wollen sie uns nur zum Spaß hier zum Narren halten?  

Wie stellen sie sich diese Schau vor die sie uns da bieten wollen? -wer sind sie überhaupt? -wohl ein Studious, wie?, haben uns das gleich gedacht- die wissen ja alles besser. Wir hier, ebenfalls mit großer Ausbildung und langen Jahren im strengen Dienst und schwerer Arbeit hochgedient und nun mit viel Erfahrung und Verantwortung,da kommen sie daher und wollen uns da etwas von Dingen erzählen, die sie selbst kaum verstehen! Bedenken Sie, Theorie und Praxis sind zwei paar Stiefel! Wissen sie was es heißt 1500 PS im "Griff" zu haben? einen Zug voll Menschen mit über "100 Sachen" nach Plan wohlerhalten an´s Ziel zu bringen und das bei Tag und Nacht, in Hitze und Regen, Schnee und Kälte! Und sie wagen es hier geringschätzig Dinge an den Mann zu bringen,die  eine Herausforderung, eine absolute Erniedrigung unseres Berufstandes bedeutet! Dieses alles bekäme der merklich eingeschüchterte "Jünger der Technik" nur so um die  "Ohren geschlagen". Zu einer Erwiderung, einer Rechtfertigung würde es kaum kommen. Sicher würde es Zeit, schnellstens den "Kampfplatz" zu räumen, denn der in schwerer Hand zusammengepresste Putzwolle-Kneul (aus dem Öl hervorsickerte), deutete auf nichts Gutes. Ganz aus der Luft gegriffen ist diese Episode freilich nicht und ähnliches soll sich auch anderswo nicht nur in Ungarn ereignet haben, bzw. es ist recht gut denkbar, besonders wenn ein solches Individium einen Lokfüherer der älteren Generation von echten "Schrot und Korn" gar mit zu "dümmlichen" Fragen auf den "Wecker" fiel. Also, so weit kam es nicht. Auch stellte der Schreiber dieser Zeilen keine solch überflüssigen Fragen. Sind doch diese heute schon durch das Fortschreiten der Technik und das Übergreifende des Zeitgeistes (Umweltschutz) zum größten Teil gelöst bzw. harren noch ihrer endgültigen Beantwortung, diese hiese: Elektrifizierung.  

Es reinigten also weiterhin unbehelligt, still und emsig, unsere sechs sympatischwirkenden Lokmänner, ihre drei bereits musterhaft sauberen Maschinen. Im Sehen und Schauen versunken, konnte sich der Betrachter kaum sättigen an diesen herrlichen Motiven die sich da zwischen Mensch und Maschine unentwegt darboten. Welch harmonischer Zusammenklang innerhalb der Tonskala, vom weißschimmernden Stahlglanz des Triebgestänges über das ölige Leuchten der Speichen im Räderwerk, bis hin zum matten tiefschwarzen Glanz der hochliegenden Kessel. Als einziger Farbtupfer die blauen Werkanzüge der Lokmänner, "geschmückt" mit dem mohnroten, schweißsaugenden Halstuch. Ja, das waren schon Bilder! Ungenutzt und unwiederbringlich gingen hier einmalige Fotosituationen verloren. Die Zeit verann viel zu schnell, an ein Abschiednehmen musste gedacht werden. Sicher wartete meine Frau schon voller Ungeduld auf mein endliches Erscheinen drüben im abgestellten rumänischen Kurswagen auf dem Nebengleis. Ein letzter Blick umfasste die Szenerie mit den drei blitzenden Dampfloks, sie entstammten den Baureihen 328 (2C) und 424 (2D), dann schritt ich diesmal quer über die Gleise (andere Passanten taten das Gleiche) zu unserm Bahnsteig, wo meine Frau mir bereits zuwinkte. Deutlich vernahm man von hier noch das knallende Peitschen der drei eben verlassenen Maschinen. Unser Prager Zug mußte in knapp 20 Min. hier einlaufen. Der so gut wie  leere Wagen, in dem wir uns mit dem ganzen Gepäck häußlich niedergelassen hatten, erhielt einen unsanften Stoß. Eine eilig daherdampfnde 1C1 Tenderlok wurde angekuppelt und schon ging´s mit ihr hinaus in´s Schienengelände. Ein D-Zug, von uns kaum registriert, schlich sich jenseits einiger Gleise in den Bahnhof, geführt von einer Dampflok aus der 424-er Baureihe.

Es war wieder eine jener formschönen hochgebauten und bewährten Maschinen der Baureihe 424, die mit ihrem vierfach gekuppelten Räderwerk immer wieder den Betrachter in ihren Bann zog. Wir standen im Gang am offenen Fenster und warteten auf die letzten Minuten und wir waren bereit- die Fahrt durch das Ungarnland konnte von uns aus beginnen. Vom Bahnpersonal wurden die letzten Verrichtungen an Kupplung, Dampf- und Bremsschlauch erledigt und der Zugführer überbrachte dem Lokführer den Fahrbefehl. Alle traten dann zurück und unterdessen bließ die imposante, tiefschwarze Maschine  mit lärmender Dampfentwicklung aus den Sicherheitsventilen ab. Die hastig und wild hinausgeschleuderten Dampfpfeile am Doppelschornstein peitschten einen atemlosen Takt dazu. Lokführer und Heizer waren nun ebenfalls bereit, sie schauten zurück und erwarteten das Signal zur Abfahrt, die Zeit: 19 h 25 Min. Unser Wagen erzitterte. Mit gewaltigen Dampfschlägen setzte sich der Zug in Bewegung. Wir verließen mit weißleuchtender Dampffahne das abendliche Budapest. Lichter, rote, weiße auch blaue, sausten an uns vorbei. Häuserreihen, neue Hochburgen und Fabrikschornsteine verschwanden im diffusen Licht der einsetzenden Dunkelheit. Der Zug kam auf Touren und unsere Dampflok wirbelte einen Funkenreigen an unsern Fenstern vorrüber. Tack- tack- tack, dröhnten unter uns die rasenden Schienenstöße in unsere Sinne. Mit wildem Dampfgedonner bohrte sich unsere 424-er auf gleißenden Schienen den sichern Weg durch die Nacht. Die Fahrt verlief ohne besondere Ereignisse. Auf den wenigen, schwach beleuchteten Haltepunkten, stiegen schweigsame Gestalten herauf, die sich wie wir, bald dem einschläfernden Takt der vor uns auf Hochtouren arbeitenden Dampflok willig unterzogen. Tiefe Nacht rauschte mit sprühenden Funkenflügen an unserm Abteilfenster vorüber.Dann  aber, in mitternächtiger Stunde ein hochreißen aus Schächten unruhigen Schlafes.

Lichtblitze, aufstoßen von Türen mit nachfolgendem Getümmel. Vollens ins grelle Abteillicht geworfen, aufkreuzende rumänische Kontroll- beamte. Eingesammelte Päße stapelten sich vor ihrer Brust. Daraufhin die von jedermann gefürchtete Gepäckvisitation. Gestrenge Frauengesichter oft mit Allüren behaftet und mit fragwürdigen Zollbestimmungen ausgerüstet, durchstöberten Handtaschen, Koffer und Säcke. Ein gutes Bakschisch unterbrach manchmal diese Tätigkeit und stolz, mit einem Anflug von Hochmut, wanderten sie dann ins Nachbarabteil. Ein tiefes Aufatmen folgte dieser Prozedur, besonders dann, wenn alles glimpflich verlief und eine "gesalzene" Zollabrechnung ausblieb. Hier in diesen Fernzügen erlebt man oft bedrückende Szenen dieser Art. Der Lokführer drosselte die Fahrt- wir näherten uns irgenwie dem Todesstreifen zwischen beiden Ländern- dann hielt der Zug. Durch die Stille hörte man das wehement- peitschende Knallen des Abdampfstrahles am Breitschornstein unserer Maschine. Auf unserem Wagen Dachgepolter, Lichtblitze an den Drehgestellen, Durchsuchen der von uns geräumten Abteile. Unsere abgelöste 424, verlor sich im Dunkel und mit ihr die peitschenden Dampfhiebe. Zusteigende Grenzbeamte verteilten die eingesammelten Päße mit den eingestempelten Visas und wir erhielten eine kleine Tenderlok (1C1) als Traktion mit der wir dann der sich langsam nähernden Sadt Oradea (Großwardein) entgegenkeuchten, der ersten "Großstadt" auf rumänischem Boden. Wir schlichen in einen hell erleuchteten Bahnhof. Auf dem Bahnsteig viel Betrieb, offenbar erwarteten eine Menge Reisende diesen Nachtschnellzug, der ja als Ziel Bukarest hatte. Man hörte außer rumänisch auch viel ungarisch und auch "Banater-Deutsch" . Unsere Tenderlok strebte nach der Abkoppelung mit "leicht-fröhlichen" Dampfstößen ins Gleisgelände.

Fast unbemerkt näherte sich langsam und bedächtig unserer in die Dunkelheit hinausragende Zugspitze, eine hochgetürmte, finsterdrohend kompakte Masse, einer jener Damoflokriesen der 142-er Baurehe die jeden europäischen Eisenbahnfreund den Atem stocken läßt. Ein sanfter Pufferdruck und der Gigant wurde an unserm Zughaken festgemacht. Nach der tiefschwarzen ungarischen Schnellzuglok, hatte nun unser Nachtzug eine nicht minder mächtige und diesem Zug ebenbürtige Traktion erhalten, einen noch größeren Schienenkoloß  und noch dazu in farbensprühendem Glanz, wie es sich später zeigen sollte. Abfahrt! Mit einem röhrend, fauchenden gewaltigen "Wum" stob die erste turmhoch hinausgeschleuderte Auspuffwolke in den Nachthimmel. Das Triebwerk der 142-er setzte sich in Bewegung, streckte seine stählernen Glieder, Dampf fegte mit brüllendem Getöse ins Gelände, der Zug bekam Fahrt, die enormen Zylinderleistungen demostrierten ihre Wirkung. Zurück blieben die im Licht nachwinkenden Menschen. Es war 0 h 47 Min. osteuropäischer Zeit (OEZ). Unsere Uhren hatten wir bereits auf der Grenze eine h  vorgedreht. Jetzt begann unsere eigentliche Nachtfahrt nach dem 153 km entfernten Klausenburg (Cluj), in dem sehr viele Ungarn wohnen. Diese Strecke wurde ohne Halt zurückgelegt. Schnell entflohen wir den ebenen Gefilden Großwardeins. Sanfte sich nähernde Hügel wuchsen zu mächtigen Bergrücken und bald fuhren wir in das kurvenreiche Tal der "Schnellen Körösch" , deren klargrünen Bergwässer im nahen über 1800 m hohen Bihorgebirge ihren Ursprung haben. Das Dunkel der Nacht wurde gesättigter und die Augen wanderten unsicher am Auf und Ab vorübergleitender Höhen. Seit nun über 1 und 1/2 Stunden tönte und dröhnte das eiserne Lied des vor  uns arbeitenden Riesen.Im rasenden Donnertakt ging das Rauschen der uns begleitenden Körösch unter, mußte vom Rhytmus unseres dahinstürmenden Zuges vollens verstummen.

Und wenn nun hier auch von einem "hochgespannten Fahrgefühl" die Rede sein soll, da ist das nun zu verständlich und jeder Dampflokenthusiast begreift das zu gut. Gerne hätte ich mir,wenn auch nur einen dieser Exemplare neben mich an den Fensterspalt gewünscht,um sich dieses dröhnende Dampflokspektakel einer 142-er in Wonneschauern über den Rücken jagen zu lassen. Weiter ging diese für mich so aufregend- unruhige Fahrt. Es folgte Kurve auf Kurve, Brücken und kurze Tunnels wechselten in rascher Folge einander ab. Brausender Dampf stob Felswände empor und das in regelmäßigen Intervallen hinausgeheulte Sirenengejaul brach sich im Geklüft und verlor sich in den uns begleitenden einsamen Waldbergen. Dann verlangsamte sich die wilde Fahrt. Der Dampf wurde gesperrt und noch bei Dunkelheit, lange vor Sonnenaufgang, ereichten wir die Stadt Klausenburg. Sie lag noch in tiefer Dämmerung. Unsere Uhren zeigten 3 h 12 Min. nach Mitternacht. Über dem südöstlichen violettdunkelnem Bergland wölbte sich ein tintenblau- wolkenloser Himmel mit grünlichem Anflug. Dort hinten begann es zu tagen. Über uns blitzten noch einige Sterne. In unserm leeren Abteil schlief meine bessere Hälfte über 3 Sitze hingestreckt fest und tief. Acht Min. Aufenthalt. Die Lokmannschaft, bewaffnet mit Hammer, Schraubenschlüßel und Ölkanne, stieg von ihrer Maschine hochherab und begann sogleich das mächtige Triebwerk zu inspizieren. Auch ich stand gleichzeitig neben der in nächtlicher Kühle leise dampfenden Riesenlok, sie hatte die Betriebs-Nr.142.030. Oweh- was war das doch für ein Koloß neben dem wir nun alle drei standen, der brachte einen wirklich zum Tiefatemholen. Welch eine imponierende Silhouette bot doch dieser in diesem magischen Licht zwischen Nacht und Morgengrauen.

Und das waren sie also, diese beiden zwerghaft- anmutenden Lokmänner, die diese gewaltige Maschine im "Zaune" hielten. Wie sie flink und behend und doch mit größter Sorgfalt das überdimensionale Triebgestänge vom herumgewirbelten Öl sauberwischten, Zapfenlager und Radnaben mit dem Handrücken auf Temperatur prüften und dabei mir, dem einzigen Zuschauer, interessiert- fragende Blicke freundlich zuwarfen, als wollten sie sagen: Nun- da staunen sie wohl, was für Riesen wir hier fahren! Ja,sie sind gut, sogar sehr gut, können froh sein, solche leistungsstarken Lokomotiven zu haben. Früher brauchten wir mehrere Loks um hinauf in das Siebenbürgische Steppenhochland (rum. "Cimpia" und ung. "Mezöseg" ) zu gelangen. Dieses öde baum- und strauchlose Hügelland stand damals unter Eisenbahnern, unter keinem guten Ruf. Sicher hätten mir diese beiden Lokmänner noch manch Lobenswertes über ihr mächtiges Stahlroß erzählt, wie das später anderen Ortes auch mehrfach geschehen ist. Doch die knappe Zeit und diese Nachtfahrt ließen keine Gespräche aufkommen. Zu sehr waren die Sinne auf das gespannte Lauschen der arbeitenden Triebwerke, auf das Beobachten der Instrumente und auf das scharfe, nachtdunkle Spähen, der sich im diffusen Licht zeigenden Strecke, eingestellt. Da stand er nun, dieser 124 t. Dampfgigant nach seiner 150 km Ohnehaltfahrt stumm und still, als wäre ganz und gar nichts geschehen. Einen größeren Kontrast zwischen der eben absolvierten Jagd und dem nun hier planmäßigen 8-Minutenhalt, konnte  man sich nicht vorstellen. Inzwischen hatten die Beiden die Arbeit am linksseitigen Triebwerk beendet. Ein nochmaliger Kennerblick überflog die Situation und schon kreutzten sie mit Werkzeug und Kanne das Scheinwerferlicht um zur rechten Antriebsseite zu gelangen.

In einigem Abstand folgte ich ihren Spuren um unvermittelt auf des Gleises Mitte jäh zu verhalten. Ein, mit reckenden Ohren und vom großen Kopfscheinwerfer überstrahltes finsteres Lokomotivgesicht starrte mich an, bei diesem Zwielicht schreckhaft und furchteregend. Aus dem Lichtkreis zurückweichend Geblendeter, stolperte vorbei am riesigen Triebwerk, vorbei an der hoch oben thronenden Feuerkiste in der ein tobender Flammentanz am Werke war. Unsere Lokmänner schauten bereits von hoher Warte nach vorwärts und zurück auf das Signalzeichen und dann auf mich herab, denn es war höchste Zeit zum Einsteigen. Schleunigst verzog ich mich aus dem Bereich der tosenden Ölbrenner. Diese waren sicherlich auf Volleistung eingestellt, denn es hieß jetzt, mächtig "Dmpf machen" , stand doch der Zug vor einer kurvenreichen Bergfahrt. Unser Zug bekam grünes Licht, es folgte ein lautloses zittern- wir fuhren ab. Meine Frau schlief noch immer den Schlaf des Gerechten. Von draußen aus der Dämmerung und der ländlichen Stille verkündeten die ersten Hähne den jungen Tag. Mit einsetzenden mächtigen Auspuffschlägen ging´s in´s offene Bahngelände und hinaus der Hochsteppe entgegen. Nach passieren der 90°-Kurve fuhren wir in die Steigung. Mit hochdröhnendem Fauchen und knallhartem Dampfgetöse setzte unsere 142.030 zum Anlauf an, Minuten verstrichen, kein Nachlassen der ungestümen Fahrt,j a es schien, als würde sich dieser Dampfgigant mit seinem 8-Wagenzug immer kraftvoller in die kurvenreiche Bergstrecke werfen. Eine brüllend- weißflatternde Dampfsäule stand uns voran über der Rauchkammer, zerfetzte  Dampfschwaden am wirbelnden Triebwerk, weit ins Gelände schießende Dampffontänen und hinausgeheulte Sirenenjauler die sich über baumlosen Hügeln verloren- dieses alles begleitete die unerhört arbeitende Maschine.

Es zitterte die Luft,es dröhnte in den Ohren und die Zeit versank im Donnertanz des Dampfes. Führwar, eine für Eisenbahnfreunde aufregend wilde Bergfahrt, ein Dampfkonzert wie es nur Riesen dieses Baumusters zustande bringen. Und weiterhin erkämpfte sich der Zug den Zugang zum Scheitelpunkt in dieser endlosen Hügelkette. Es folgte Kurve auf Kurve und Kurztunnels samt dazugehörigen Sirenenjauler lösten sich in dieser seltsamen Urlandschaft einander ab. Im Höherwinden des Zuges erhellte die Atmosphäre, schoß ein gleißender Schimmer über das Himmelszelt, das Tagesgestirn stand kurz vor seiner Overtüre. Der Klausenburger Kessel mit seinen 340 Höhenmeter lag weit zurück und jetzt fauchten wir auf rund 500 m Höhe dem Kulminationspunkt mit seinem kleinen Tunnel entgegen. Schon heulte die Sirene, nach Öl riechende Dunkelheit verschluckte uns, dann hellte es mächtig auf, wir dampften in die aufgehende Sonne, in einen Gold sprühenden Sommermorgen. Noch immer stand der Mann eingewickelt in Mantel und Schal im menschenleeren Gang am pfeifenden Fensterspalt um sich  ja nichts von der eben verrauschten "Dampfloksinfonie bei Nacht" und dem nun beginnenden jungen Tag, entgehen zu lassen. Ohne Halt überfuhren wir die höchste Stelle unseres eingleisigen Schienenstranges. Mit blitzend- kreisenden Gestängewirbel senkte sich schnell unsere Zugspitze  mit dem im Frühlicht schwarz- rot- goldenen aufleuchtenden Siebenräderkoloßes, unserer stark bremsenden 142.030. Sicher brachte sie die ihr anvertraute Zugschlange, deren Wagendächer von ihr beträchtlich überragt wurde, hinunter und hinab in ebeneres Gelände um dann auf langen Trassen mit Volldampf auf das ca. 60 km entfernte Teius los zu brausen. Knirschendes Bremsen, Schwefelgeruch, wir hielten mit einem verzögerten Ruck, Teius, ein wichtiger Eisenbahnknoten, ward erreicht- die Zeit: 4 h 57 Min.

Zehn Minuten Aufenthalt- Lokwechsel. Entkupplungsgeklirr- für unsere 142.030 war die 250 km- Fahrt zu Ende. Schnell, schnell- komm herunter und schau dir einmal diese Prachtmaschine an! rief ich meiner Frau zu, die nun erwacht, aus dem offenen Fenster herabschaute. Mit Interesse sahen wir dann gemeinsam zu, wie im klaren Licht der Morgensonne diese farbenstrahlende Riesendampflok mit ihrer blitzenden Räderparade in Langsamfahrt davonfuhr und weit draußen im Schienengelände verharrte. Staunend folgten zwei Augenpaare diesem alltäglichen Vorgang, der aber für uns keinesfalls den Charakter einer routinenmäßigen Angelegenheit darstellte. Dieses war für uns neu, ein erstrangiges Ereignis,mit dem wir gar nicht so leicht fertig wurden. Dieses stille und lautlose Entgleiten einer fast 200 t-Last (mit Tender), mit einem bei jeder Umdrehung aufleuchtenden Speichen- und Gestängespieles welch eine Augenweide! In ruhigen Kreisen rollten die hellen Radreifen mit den zinnoberroten Speichensternen vorüber,über denen ein mächtiger gelbbandagierter Riesenkessel tiefschwarz in der Sonne glitzerte. Keine, die glatte Kessellinie störenden Aufbauten, selbst der niedrige Schornstein verbarg sich hinter den schmalen langgezogenen Windleitblechen. Wahrhaftig, wer solche beeindruckende Bilder sah, wird die "Sagenlok"  der 142-er Baureihe nie vergessen. Auch diesesmal blieb der Fotoapparat im Handkoffer, zu viel Uniformierte standen da herum und mir lag nichts daran, wieder in Konflikte zu geraten- davon konnte ich ja manches Lied singen. Natürlich gingen wieder eine Reihe herrlicher Motive verloren, blieben für immer unfotografiert. Wir wurden ermahnt einzusteigen, denn längst hatten zwei der neuen Dieselelektroloks, der große Konkurent unserer 142-er, an unserm Zuge festgemacht und ein neuer Dampflokriese war nicht in Sicht.

Welch eine ernüchternde Tatsache zwischen dem vorher Erlebten und nun diesen modernen Gehäusen. Die Strecke Teius-Kronstadt, 230 km lang, galt bislang ebenfalls noch als Domäne der 142-er Baureihe, die, wie es aber jetzt aussieht, nun ebenfalls im Lokdienstplan der Dieselzugförderung zugestellt wurde. Mit überhellem Warnpfiff, im grellen Gegensatz zum sonor ertönenden Vieltonsirenengeheul der 142-er, setzte sich unser Zug in Bewegung und gewann schnell an Fahrt. Nach einer Stunde durchbrausten wir das an dem Kleinen Kokelfluß sich hinziehende berühmte Weinbaugebiet Siebenbürgens. Die Rebstöcke brachten die heute noch hier lebenden Siebenbürger Sachsen vor rund 800 Jahren von Mosel und Rhein in mehreren Wanderzügen mit. Die ehemals überwiegend sächsischen Städte Mediasch, Elisabethstadt und Schäßburg, dem siebenbürg. Rothenburg, wurden in rascher Folge passiert. Es folgte der kurvenreiche Durchbruch durch den Geister Wald, der vom Schienenstrang aus, wundervolle Ein- und Überblicke auf die Fluß- und Waldlandschaft gewährte. Weiter rollte der Zug, immer entlang des urigen Mäander- Flußlaufes des Alt, bis dieser dann bei Marienburg dem fast 800 Jährigen, dessen gleichnamigen Burgruine einst dem Preuß. Ritterorden zugehörig, den Nordeingang des Burzenlandes erreicht. Von hier sticht dann die immer noch eingleisige Schnellzugstrecke Budapest-Bukarest in einer  Zielgeraden in südliche Richtung direkt auf Kronstadt zu, der einst zweitgrößten deutsch-sächsischen Stadt Siebenbürgens. Beim Durcheilen des Ostrandes der kleinen Burzenländer Hochebene (ca.550 m), auf der sich viele sächsische Ortschaften befinden, tauchen im dunstigen Südwesten die ersten,auch im Sommer oft schneebedeckten Massive der Südkarpaten auf (über 2500 m).Dagegen stand nördlich davon der auffällige Zeidner Berg (1294 m) scharf und klar gegen den Himmel, an dessen Fuß die Gemeinde Zeiden liegt, dem Geburtsort- und Heimatsort des Verfassers dieser Zeilen.

Kronstadt ereichten wir um 8 h 42 Min. Wir fuhren in einen vollständig neuen Bahnhof. Der alte,der "Große Bahnhof", wie er hier hieß, stand weiter östlich,e r wurde von amerikanischen Bombenverbänden 1944 schwer getroffen. Nachdem wir nun an unserm Reiseziel angelangt sind, sei hier gestattet, über diese bemerkenswerte Stadt noch einige kurze Notizen niederzuschreiben. Kronstadt (rum. Brasov und ung. Braso), heute die zweitgrößte Stadt Rumäniens, wurde von deutschen Auswandern von Mosel und Niederrhein, der heutigen Siebenbürger Sachsen im Anfang des 12. Jahrhunderts gegründet. Die ehemals vollständig deutsch-sächsische Stadt mit vielen Kulturdenkmälern aus der Gründer- und Nachfolgezeit liegt 590 m hoch in landschaftlich herrlicher Lage am Rande der Burzenländer Karpaten. Über dem Marktplatz erhebt sich als Wahrzeichen der Stadt die 950 m hohe bewaldete Zinne. Ihre felsige Nase steht 380 m über dem Platz,a uf dem das im Jahre 1420 erbaute, heutige alte Rathaus, nun dient es als Museum, errichtet wurde. In unmittelbarer Nähe, die alles überragende "Schwarze Kirche", im Jahre 1385 im spätgotischen Stil  gebaut. Ihr schwarzes Äußere stammt von dem großen Brand aus dem Jahre 1689. Sie ist die weitest vorgeschobene evangelische Kirche des europäischen Südostens. Gegenüber dem alten Rathaus das bekannte Gasthaus "Cerbul Carpatin" , auf deutsch: "Karpatenhirsch". Man kann in diesem interessant konzipierten Speisesaal gut essen und Rumänienreisende sollten diese gastliche Stätte nicht versäumen. Dieses Gebäude mit seiner schlichten Fassade, diente früher als Kaufhaus. Es wurde 1545 von Frau Apolonia Hirscher zu Gunsten des damals hochentwickelten Kronstädter Handwerkes (Zünfte) errichtet. Natürlich muß außer den ungezählten Baudenkmälern auch ganz besonders auf das große System der Ringmauern und Wehrtürme (genannt nach den einzelnen Handwerkszünften), die die ganze Stadt umschlossen, hingewiesen werden.

Diese riesigen Anlagen wurden ausschließlich zur Abwehr erbitterter Kämpfe um das Überleben gegen die verheerend anstürmenden Raubzüge türkisch- und asiatischen Völkerschaften errichtet. Nach diesem kurzen geschichtlichen Abriß, wieder zurück zu unserm Zug, dem Balt Orient Express der 10 Min. Aufenthalt hatte und nun abermals zwei der neuen Dieselelektroloks erhalten hatte. Sie bringen  dann nach hechelnd, sehr strenger Bergfahrt den Zug über den Predealpass durch eine hoch alpine Landschaft hinunter in die walachische Tiefebene nach Bukarest, um dann in die Endstation "Gara de Nord" einzulaufen. Noch im Sommer 1961 fand auf diesem 166 km langen Streckenabschnitt Kronstadt-Bukarest die 142-er Bau-Reihe ihren planmäßigen Einsatz. Nun ist dieses Teilstück,des wichtigsten Schienenstranges Rumäniens, seit 1968 vollelektrifiziert. Wie schon berichtet, war für uns diese lange Bahnfahrt Frankfurt/M-Kronstadt, sie dauerte rund 27 Stunden, zu Ende. Bruder und Schwester standen am Bahnsteig,sie erwarteten uns mit Ungeduld und großer Freude, entsprechend war das frohe und gesunde Wiedersehen. Das Gepäck wurde herausgehievt, eine warme Luft umfing uns schmeichelnd und die nahen Berge standen in zarter Bläue in diesem schon südlichen Himmel. Die Ferientage versprachen gut zu werden, dafür verbürgte sich auch die stramme Kofferreihe, die stumm und behäbig die Wiedersehenfreude über sich ergehen ließ und geduldig auf ihren Abtransport wartete. Im Verlauf dieses Rumänien-Urlaubes wurden viele Möglichkeiten genutzt,u m vor allem von der Eisenbahn, besonders Dampflokomotiven auf den Film zu bannen. So verflogen die Ferientage sehr schnell und es kam der Tag und die Nacht, wo wir wieder in Kronstadt am Bahnsteig standen und wieder auf den Balt Orient, der 0 h 10 Min. hier einlaufen sollte, warteten. Aber schon lang vor Eintreffen unseres Zuges konstatierte ich: Weit und breit keine Dampfloks und unser 142-er Riese schien überhaupt nich mehr existent zu sein.

Mit hellem Warnpfiff und drei grellen Kopfscheinwerfern bahnte sich unser Zug durchs Gleisgewirr des Vorgeländes seinen Weg, um mit einem letzten Schwenker sich sanft an unsere Bahnsteigkante anzulegen. Die sieben Minuten Aufenthalt waren herum und kaum daß wir uns ob der Menschenfülle draußen und drinnen verabschieden konnten, setzte sich unser Zug in Bewegung, nahm Fahrt auf und stob in eilender Hast davon- vorbei die lieben Gesichter, die feuchten Augen mit sehnsuchterfüllten Blicken. Die Nacht, von einem finstern Wolkenhimmel verhangen, tauchte alle Einzelheiten in eine ungewisse Düsternis und der gellend dahinjagende Diesel-Zug riß die spärlichen Lichter in sausender Flucht von unsern trüben Fenstern hinweg. Die monotone Fahrt, von ständigen Warnpfiffen unterbrochen,verlief melancholisch und wir konnten so recht unserer Abschiedsstimmung grübelnd nachhängen. Doch einen Namen gelang es meinen müde werdenden Sinne nicht ins Abseits zu drängen; "Teius" war der Ort, den wir 3 h 29 Min. erreichen sollten. Vielleicht war dieses die letzte Möglichkeit nochmals eine 142-er erleben zu können. Spekulierende Gedanken nur, sie tauchten auf und verschwanden im Dröhnen des Zuges. Aus dem Halbschlaf hochgescheucht, gewahrte ich, daß wir langsamer fuhren, an Tempo merklich verloren hatten. Dann Weichengepolter mit Waggongeschlenker. Ein Blick auf die Uhr und nach draußen,das konnte nur Teius sein- durchzuckte es den völlig Wachgewordnen. Kaum kam der Zug zum Stehen, befand sich dieser Mann eingehüllt im Mantel an der Wagentür. Er stieg schnell hinab ins Freie wo ihn eine völlige Dunkelheit erwartete. Es war merklich kühl. Ein Drang trieb diesen Mann an der menschenleeren Wagenfront entlang, hinaus zur Zugspitze und dort dampfte es bereits, der Diesel war verschwunden. Eine Dampflok! jubelte es in diesem Sonderling.

Und diese hochgebaute Masse da vorn, konnte nur einer 142-er angehören in der Tat, wir hatten wieder einen Riesen am Zughaken. Noch  wenige Schritte, ein erster Blick zum Führerhaus, es leuchtete herab: CFR- 142.006. Im Halbdunkel des Führerhauses hantierten zwei Männer an Hähnen und Ventilen, Dampf schoß über Schienen, eine senkrechte Gassäule stand über der Rauchkammer und die Ölbrenner wirbelten ihr Feuerlied- auf, auf alter Junge, es wird Zeit! Schluß mit der Gafferei! und schnell zum ersten Wagen! Erst zurück zum Fühererhaus! wo sich gleichzeitig drei verdutzte Augenpaare trafen. Und der unten im dunkeln Stehende, ahnte, was die beiden Lokmänner da oben wohl dachten; was ist das für ein seltsamer Nachtwandler,der sich ausgerechnet seine Spaziergänge im Bereich unserer Maschine aussucht? Worte wurden nicht gewechselt, denn da kam einer dahergehastet, ein flatterndes Papier in Händen haltend- da! hier habt ihr ihn! (den Fahrbefehl)- könnt gleich abfahren! keuchte der nach Luft ringende Stationsvorsteher. Jetzt war es Zeit der Sonderling verschwand schnell im ersten Wagen. Der Rotmützige ging ebenfalls, mit seiner Kappe in der Hand und den Schweiß von der Stirn wischend,zu seinem zurückliegenden Stationsgebäude. Wum- wum hallte es in die Nacht. Dampf umbrodelte Triebwerk und Kessel,ein schwarzweißer Rauchturm wirbelte himmelwärts. Die Stangen griffen in die Speichen, knallharte Auspuffschläge in immer rascherer Folge. Die 142.006 nahm Anlauf zur beginnenden Bergfahrt- es war 3 h 37 Min. Der Wagen wurde gefunden und meine bessere Hälfte ließ ich eingewickelt in der Fensterecke weiterdösen, ich selbst stand im Gang und starrte in die vorrüberrauschende Dunkelheit. Doch das Dampflokspektakel an unserer Zugspitze war nicht zu überhören.

Die Kette der Auspuffschläge wuchs zusammen,zu einem unaufhaltsamen Dröhnen, zum, über Meilen hinweg brüllenden Dampfgedonner- ein Dampfzug in den Bergen Kanadas oder den USA hätte es nicht besser gekonnt. Mit ungeheurer Kraftentfaltung arbeitete sich unser Riese mit seiner Zugschlange hinauf in ein Bergland voller düsterer Einsamkeit. Unmerklich wurde es heller. Die Dämmerung sank hinter noch dunkle Hügelketten, Gewölk schob sich auseinander, grünblauer Himmel wurde sichtbar. Dunkelviolette Berge erhielten ihre Tages- farbe, Wolkenränder leuchteten rosafarben auf und die Kuppen baumlosen Hügel bekamen rostgelbe Flanken- die Sonne stieg über das Siebenbürgische Steppenhochland. Mit einem fernen melodischen Sirenenjauler verkündeten unsere Lokmänner den jungen Tag, so schien es, der aber dem Scheiteltunnel, der höchsten Erhebung dieses Schienenstranges, galt. Unser Zug nun ganz ins Licht getaucht, eilte auf kurvenreicher Gefällstrecke mit mehreren Dampffontänen und über die Hügel sich schwingenden Sirenenjauler direkt auf Klausenburg zu, wo er 5 h 27 Min. Einlief. Mit Wasserfassen acht Minuten Aufenthalt; keine Chance für Aufnahmen, Militär auf allen Wegen und Stegen und eine diskutierende Offiziersgruppe postierte unweit unseres Dampfroßes. Ansonsten viel Volk  unterwegs und das in so früher Morgenstunde. Reisende mit Sack und Pack von unterschiedlichstem Couleur bestiegen unsern Zug oder verließen manch unsaubergewordenen Waggon, bei dessen Anblick einem der Begriff "Internationaler Express" nur schwerlich über die Lippen ging. Der Tender war bereits gefüllt, ein letztes Losreißen von dieser gigantischen Dampflok und im Laufschritt ging`s zurück zu unserm Wagen, wo meine Frau auf ein, entlang unseres Zuges, hastendes Menschengewühl herabschaute.

Bitte einsteigen!- einsteigen bitte! der Zug hält bis Oradea (Großwardein) nicht mehr!- krächzte es aus einem Lautsprecher. Ein Sirenengejole erschall über die Dächer der Bahnsteige- der Zug setzte sich langsam in Bewegung- wir fuhren ab, die Uhr zeigte 5 h 30 Min. Die Sonne strahlte bereits mit großer Kraft über Stadt und Land. Schnell entzogen sich unsern Blicken flatternde Taschentücher mit Händewinken und unsere 142.006 setzte ihrerseits mächtige Dampfschläge als Schlußpunkt über diese Abschiedszenen. Der letzte 150-km Abschnitt unserer Heimreise auf rumänischem Boden hatte begonnen, unser Riese dampfte unentwegt und mit Vehemenz an der Zugspitze in einen glückhaft sonnigen Morgen. Es ging natürlich die gleiche Strecke zurück, wie damals vor 2 u.1/2 Wochen, als wir bei Nacht mit der 142.030 von Großwardein aus, in das Siebenbürgerland hineinfuhren. Heute nun, hatten wir einen gleißenden Sonnenball als ständigen Begleiter am blauen Himmelszelt. Ab Klausenburg wandte sich der Zug direkt ge´n Westen und jetzt bei Tag sahen wir, durch welch reizende Landschaft hier unser Schnellzug immer entlang der "Schnellen Körösch" dahinkurvte. Einzelne Bauern mit einer Kuh am Strick "weideten" in dieser Morgenfrühe ihr mageres Tier am Bahndamm, an denen unser Zug mit Dampfgeheul vorbeistürmte. Heizer und Bauer grüßten sich mit halberhobener Hand, offenbar kannten sie sich  von vielen Begegnungen dieser Art. Und weiterhin sang der Zug sein eisernes Lied. Vorbei ging´s an jenseits zwischen Buschwerk und halbwilden Obstbäumen versteckten, weiß und blau getünchten, stroh- oder schindelgedeckten Häuschen, vorbei an Gänsefamilien, die bereits ihr Frühbad in diesem klaren Berggewässer genossen und an dessen seichtem Ufer barfüßige Kinder "Ihren Morgenexpress" schreiend und mit wildem Armgefuchtel heftig begrüßten.

Und während über dieser Idylle Schwalbenschwärme segelten und flatterten, jagten hoch oben  im Sonnenglast farbenprächtige Bienenfresser flüchtenden Großinsekten nach. Die hohen Bergkämme verließen wir nun, die allesamt in der Ferne verblauten. Andere niedrigere schoben sich in´s Blickfeld bis auch diese in der hier bereits beginnenden Ebene im Sonnendunst verschwanden. Das Tal der Schnellen Körösch hatten wir hinter uns und es wurde bereits sehr warm, Großwardein mußte bald mit seinen Konturen am westlichen Horizont auftauchen. Der Balt Orient mit seiner 142.006 donnerte nun mit hoher Geschwindigkeit in´s zitternd- blaue Silberlicht der nicht mehr fernen Panonischen Tiefebene. Ohne Dampf und Rauch und mit wildem, weit hinhallendem Sirenengeheul, kündigte der Fernschnellzug Bukarest- Budapest- Prag- Ost- Berlin seine Einfahrt in das Vorfeld des Großwardeiner Bahnhofes an. Gebieterisch wurde eine Rotte Gleisarbeiter aus dem Bereich der drohenden Gefahr hinweggescheucht. Die Königin der Dampfrößer forderte energisch Durchlaß. Kurzdarauf hielt der Zug am, wieder von Menschen wimmelnden Bahnsteig. Es war 7 h 44 Min. und für uns der letzte Halt mit unserer 142.006. Wenige Minuten später wurde sie vom Zug gelöst um sich langsam in Richtung Lokdepot zu entfernen. Als dann unser Balt Orient mit einer Tenderlok  (BR 376-1C1) am Lokschuppen vorbeischlich, der unweiten rum.- ung. Grenze entgegen, sahen wir unsern Schnellzugriesen drüben in Gesellschaft dreier merklich kleinerer Lokomotiven in aller Ruhe qualmen. Ade du Traum der Dampflokfreunde, lebe wohl und auf Wiedersehen. Obwohl später noch mehrere Reisen in´s Land der 142-er erfolgten,  unsere 142.006 sahen wir nicht mehr wieder.

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© Dietmar Mieskes