Die Waldbahn CFF, 760 mm Spur
"Covasna", Rumänien.( Ende Sept.1980)
Ein Eisenbahnfreund aus Bukarest machte mich unter anderen auch auf diese im Südosten Siebenbürgens gelegenen Waldbahn aufmerksam. Sie bestehe aus zwei Abschnitten, von denen der zweite, obere Teil
ca. 330 m höher liege und die beide durch einen Schrägaufzug in Verbindung stehen würden. Der Vorschlag, diese Waldbahn zu besuchen, konnte durch andere Vorhaben und besondere
Zeitumstände nicht realisiert werden. Der Plan rückte in den Hintergrund und es verstrich eine längere Zeit bis dieser Besuch in die Tat umgesetzt werden konnte. Der Vollmond stand hoch im
wolkenlosen Nachthimmel über dem Karpaten- umkränzten Burzenland. Schon lange vor Aufbruch in den innersten Winkel der Waldkarpaten lag ich ruhelos mit wachen Augen auf meinem Lager, galt es doch zu
erkunden ob diese Waldbahn ohne direkten öffentlichen Verkehr und Fahrplan noch existierte, im Betrieb steht und vor allem, ob sie noch mit Dampflokomotiven unterhalten wird. Wir fuhren mit Ottos
blauem Wagen zuerst an ausgedehnten Kartoffelfeldern vorbei, über denen sich Herbstnebel im Sonnenglast auflösten. Auf diesen bereiften Feldern klaubten beordete Schulklassen die kalten Kartoffeln in
bereitstehende Säcke. Auf guter Teerstraße gings dann in rascher Fahrt direkt gen Osten den blauen Bergen entgegen. Gegen 15 h fuhren wir auf holpriger, voller Schlaglöcher übersäten Weg am CFR
Bahnhof Covasna vorüber, einem großen Holzlager entgegen. Dort vermuteten wir den Beginn unserer Waldbahn. Keine Menschen, Stille und Einsamkeit über einem umfangreichen Gelände voller Reihen von
Bretterstapeln und mächtigen Haufen und Bergen von Rundholz. Und wo waren die Gleise, die Schienen zu unserer Waldbahn? Wo die Lokomotiven und die Holztransportwagen?
Nichts von alledem! Suchende Blicke- betroffene Gesichter! Da!- seht doch! Am Rand dieses Sägewerkbetriebes ein schwarz- veräucherter verschlossener Schuppen, in den ein schmales Gleis führte. Ölflecken und Schlackenreste ließen uns hoffen. Eine offene Tür durch den Gitterzaun, einige Schritte, dann ein kurzer und langer Blick durch Löcher und Ritzen der Schuppentür. Und siehe, da stand sie die langgesuchte, schwarz in schwarz, kaum erkennbar, doch der Kobelschornstein verriet alles. Freudige Mienen, strahlende Augen ob dieser Entdeckung. Mit Hilfe eines heimwärts schlendernden Werkmannes wurde der Lokführer in seiner Wohnung aufgestöbert. Amerikanische Zigaretten und schweizer Milchschokolade für die jubelnde Kinderschar beflügelte die Füße des bis dahin noch Zögernden.D as Tor zur Waldbahnlok wurde bereitwilligst geöffnet. Licht drang ins Dunkel, die finstere Maschine erhielt Konturen, bekam Gestalt und wir standen dann vor ihr, der von rauschendem Hochwald träumenden Waldfee. Eine beachtlich stemmige Maschine mit einer Leistung von 150 PS und einem Dienstgewicht von 30 t präsentierte sich im Hochglanz vor unsern Augen. Sie war eine Tenderlok und sie besaß ein 4-fach gekuppeltes Triebwerk mit Außenrahmen. Gebaut wurde die Lok 1949 in Budapest. In Serie ging sie als Standartausführung im Lokomotivwerk Resita Rumänien. Diese gefällig gebaute Dampflok hatte die am Führerhaus groß und sauber in Messing angebrachte Betr. Nr. CFF 764- 349. Im Gesprächsverlauf mit dem ungarischen,rumänisch sprechenden Lokführer erfuhren wir, daß diese Waldbahn, samt der im "obersten Stock", einst eine große Anzahl Dampfloks besaß, seit der Inbetriebnahme um die Jahrhundertwende in ungarischer Regie stand und einschließlich des Schrägaufzuges ohne nennenswerte Störungen arbeitete. Heute nun, nachdem nur eine Berg- und Talfahrt je Tag stattfindet, ist der Lokbestand auf 3 Maschinen geschrumpft.
Und zwar dieser hier, einer zweiten gleicher Bauart oberhalb des Aufzuges im Zuge nach dem Plateau um Comandau und einer dritten Lokomotive, die sich z. Zt. im Ausbesserungswerk Reghin (Sächsisch Reen in Nordsiebenbürgen) befindet. Die letztere mit der Achsanordnung 2C wurde wahrscheinlich von der Firma Krauss+Co. Linz gebaut. Sie ist die einzige mit dieser Achsfolge. Bemerkenswert ist, daß diese Lok für einen rumänischen Wildwestfilm hergerichtet und benutzt wurde. Auf den seitlichen Wasserkästen ist noch zu lesen: "UNION PACIFIK RAIL ROAD". Die Betr. Nr. lautet: CFF 763-247. Da unsere Lok nicht unter Dampf stand und Samstag/ Sonntag keine Fahrten stattfanden, verabschiedeten wir uns mit dem Versprechen, Montag um 10 h hier wieder einzutreffen. Dann fuhren wir wieder westwärts einem glutroten Sonnenuntergang und dem 80 km entfernten Heimatsort entgegen. Montag früh 7 Uhr. Wieder gings in Richtung Südosten unserer Waldbahn entgegen. Dichter Nebel nahm uns zeitweise fast jede Sicht. Nur zögernd wurde es lichter. Dann aber drang die Sonnenscheibe durch und die Nebelbank begann zu wallen. Die durchsonnten Schwaden hoben sich und zerrannen im zarten Himmelsblau. Es siegte das Tagesgestirn, die nahen Berge wurden sichtbar und standen mit ihrem Unterbau wieder auf festem Boden. 9.30 hielten wir im hellsten Sonnenglanz am Holzlager in Covasna. "Unser" Zug stand zusammengestellt auf dem Schmalspurgleis und an seiner Spitze rauchte und qualmte es schon ausgiebig. Der offenstehende Lokschuppen war leer. Mit hellem überlangen Pfeifen und einem von Wagen zu Wagen sich näherndes Anrucken, setzte sich unser Leerzug in Bewegung. Er bestand aus vierachsigen Drehgestell- Plattformwagen, die für den Holztransport ausgerüstet waren. Am Zugende befand sich der Geräte- und Mannschaftswagen, der sogenannten "Caboose". Wir standen zu viert auf ihrer freien Plattform.
Sie bot uns eine prächtige Aussicht auf den dahindampfenden Zug, auf Wälder und Berge und auf die sich immer romantischer gestaltende Tallandschaft. Zuvor und schon während dem Anfahren des Zuges bestiegen zwei junge Männer mit Fotoapparaten auf der Brust "unsern" schon voll besetzten Aussichtsbalkon. Es folgte ein unterdrücktes Murren unserseits. Wer in aller Welt hat diese Beiden in diesen Erdenwinkel und noch zur guten Letzt auf "unsern" Zug geweht? Beide sprachen deutsch und einer nannte meinen Namen. Ja wie denn das!- woher er das wisse? Nun es stünde doch auf meiner Fototasche! Ein allgemeines Gelächter erheiterte die "Balkongesellschaft"- ja und er sei aus Bukarest und hieße Antonio Bianco! Unser lachende Gesichter verwandelten sich in offenstehende Münder, ein maßlos- ungläubiges Staunen ließ vor allem meine Miene erstarren. Ist das ein Zufall in einer solch abseitigen Gegend! Und er sprach weiter, jawohl, er sei wirklich jener Student, mit dem ich seit Jahren im Briefwechsel stehe und Lok- Fotos austauschte. Er gab mir auch jenen Hinweis über diese Waldbahn, der zu Anfang dieser Abhandlung steht. Unterdessen und nach diesem heitern Zwischenspiel, dampfte und zottelte unser Waldbahnzug weiter talein, dabei uns ausnehmend Landschaftsbilder darbietend.Rechts und links senkten sich dichte Tannenwälder und im Hintergrund schoben sich blaue Berge ins Blickfeld. Fürwahr, eine bezaubernde Landschaft, nicht umsonst gab man diesem Tal den rumänischen Namen "Valea zinelor"- das Feental. Weiter ging die rumpelnde anmutige Fahrt und weiter dampfte und schnaubte da vorn unsere wackere Dampflok. Bei jedem Übergang, es gab ja deren nur wenige, wurde fleißig die Dampfpfeife getätigt und es erscholl der fröhlichhelle Pfiff über Wald, Wiese und Hain. Und dann erfolgte ein langes entgültiges Pfeifen- Waldbahnendstation, die erste Etappe hatten wir hinter uns.
Plattformwagen mit Rundholz beladen warteten auf den Transport zum Sägewerk Covasna. Andere, leere, standen bereit, um mit Hilfe des Schrägaufzuges die Bergfahrt anzutreten. Unsere Dampflok fuhr später zum Gleisende mit Prellbock und Podest. Hier wurde mit einem Schlauch das Kesselspeisewasser aus einem Wildwasserbach frisch heraufgeholt. Dicht vor uns wuchtete ein mächtiger Bergrücken himmelwärts. Auf ihm ein dünner baumloser schienenbelegter schmaler Streifen- der Schrägaufzug zum Holzabtransport und dem Zugang zum oberen "Stockwerk" unseren zweiten Waldbahn. Übereinstimmend waren wir der Ansicht: da müssen wir natürlich auch hinauf!- etwa 330 m höher als unser Standpunkt und ca.1,2 km lang. Ehe wir uns besannen entschwand ein Leertransporter gerade unsern Augen. Somit stand uns noch eine "kleine" Bergbesteigung bevor. Auf dem für uns direkten steilen Hangweg zur Gipfelstation, passierten wir auch die Ausweichstelle des Breitspurgleises und nach 80 minütigem strengen und schweißtreibendem Anstieg, konnten wir in die Waldschneise hinunterschauen und das war in der Tat ein respsktabler Tiefblick. Hier oben nun auf der Bergstation, einer kleinen Waldlichtung in 1000 m Höhe ein einfach gezimmerter Rohbau, ausgerüstet mit Strom, Telefon und einer kräftigen Seilwinde mit mächtigen Bremsbacken sowie einem Bedienungsmann für Winde und Weichen und auch einem Pferd im Stall, das war alles was wir sahen und vorfanden- sonst Stille und Einsamkeit. Von Transportwagen und Dampfloks keine Spur. Ein verkrautetes Gleis führt zur Verladestation und ein zweites das zwischen hohen Buchenstämmen in Richtung Hochplateau Comandau bergan kurvte, ergänzten diesen "Verschiebebahnhof" in seiner Abgeschiedenheit. Comandau ist eine Häuseransammlung mit Lokschuppen und weiteren Anschlußstrecken hinab nach dem Süden und Osten in die Waldkarpaten.
Dieser Weichensteller nun, der fast so gut wie auf vergessenem Posten sein karges Brot verdiente, versicherte uns zu unerer Beruhigung, daß innerhalb der nächsten Stunde ein Holzzug von oben hier eintreffen würde. Nebenbei erfuhren wir von diesem stillen Mann noch das Folgende: ein Bär, die es ja in diesen ausgedehnten Wäldern noch gibt, hatte vor Tagen einen Brombeersammler übel mitgespielt, war doch dieser einem solchen in diesem reichen Beerenrevier in die Quere geraten und hatte den Ahnungslosen nach Bärenart kurzerhand aus dem stachligen Verhau hinausbefördert. Er wurde für einen Spitalaufenthalt in Covasna gut hergerichtet, meinte unser Weichensteller. Später saßen wir an einem rohgezimmerten Tisch , aßen unser Mitgebrachtes, tranken frisches Bergwasser und verdauten auch das eben Vernommene. Still blinzelten wir hinaus über Ketten endloser Waldberge, die sich im Licht der Sonne in blauer Ferne verloren. Die machtvolle Stille wurde hörbar und wir vernahmen das geheime ewige Singen der Wälder. Die Zeit verrann und es funkelte das Tagesgestirn auf den hier oben sich anbahnenden Herbst. Während unsere Blicke sinnierend in ferne Weiten schweiften hatten wir das sichere Gefühl: hier ist die Welt noch in Ordnung. Dann drang leise, kaum vernehmbar ein undeutliches Geräusch an unsere lauschenden Ohren. Der Zug!- das ist unser Waldbahnzug! Und schon ganz deutlich konnte man nun das Schnaufen, Blasen und Fauchen der sich nähernden Dampflok, vernehmen. Zuerst gewahrten wir, wie sich aus der Waldkurve hochbeladene mit Rundholz leise schwankende Wagen langsam herausschoben, gefolgt von einer sich in Qualm und Dunst einhüllenden stark bremsenden Lok. Vorsichtig glitt dann der ganze Zug, bestehend aus vier Drehgestellwagen und einer vierfach gekuppelten Dampflok, der gleichen Bauart wie im Feental, auf den Plan der Bergstation.
Hier auf dieser Lichtung war für den Zug Fahrtende, wo es nun für kurze Zeit lebhaft zugehen sollte. Die Lok wurde vom Zug gelöst und mit des Pferdes Hilfe der erste Wagen halb gezogenen und geschoben auf den wartenden Schrägtransporter verladen und festgezurrt und der dann alsbald in der Tiefe der Tannenschneise verschwand. Die andern drei Fuhren folgten dem gleiche Schicksal, jedoch aber nur am nächsten Tag, für heute war Feierabend und dieses war die letzte Talfahrt. Inzwischen war ein Leerzug zusammengestellt und die Dampflok setzte sich an seine Spitze. Ein heller Pfiff, ein Begleitmann sprang noch schnell auf den anfahrenden Zug und unter mehrfachem Schleudern und mächtig fauchenden Auspuffschlägen wandte sich die Wagenschlange in die beginnende Kurve und verschwand unter dem Dach eines hohen Blätterdomes. Dampf und Rauch stiegen ins Geäst und der letzte Wagen ohne Laternen und Zugschlußscheiben entglitt aus unserm Gesichtskreis. Lange hörten wir noch das kräftige Schnaufen bis auch dieses schließlich in den Tiefen des Waldes versiegte. Wie mit dem Schrägtransporter,so wars, auch mit diesem Zug, es war der letzte dieses Tages. Die Bahnfahrt bis Comandau mußten wir also aufgeben. Unser Ausflug in die Einsamkeit dieser Berge schien demnach sein Ende gefunden zu haben. Unsere Mission hier oben war erfüllt und wir machten uns an den noch bevorstehenden Abstieg. Unten erlebten wir, daß auch hier der letzte Zug abgedampft sei. Trotzdem wanderten wir frohen Mutes und guter Laune durchs bezaubernde Feental bis zur nächsten Busstation und ließen uns in schaukelnder Fahrt bis Bahnhof Covasna durchschütteln. Aus dem Holzlager grüßte die Rauchfahne unserer 763- 247 und abermals fuhren wir mit dem Wagen einem glutroten Sonnenuntergang entgegen.